Der deutsche Schauspieler und Kabarettist Dieter Hallervorden sagte einmal humoristisch überspitzt:
Die Wartezeit, die man bei Ärzten verbringt, würde in den meisten Fällen ausreichen, um selbst Medizin zu studieren.
Wir alle kennen Alltagssituationen, die uns viel Geduld abverlangen: Arztwartezeiten, lange Schlangen an der Supermarktkasse, störrische Kinder, Stau auf der Autobahn. Das kostet Nerven und Zeit. Geduld ist in meiner Wahrnehmung heute eine eher seltene Tugend geworden. Unsere Welt wird immer schnelllebiger, oft sogar hektisch. Wir sind es gewohnt, dass Alles sofort verfügbar just-in-time produziert ist. Wer kann es sich schon leisten, noch geduldig abzuwarten? Wir sind als Christen mittendrin in diesem Hamsterrad, das sich immer schneller dreht.
Wie steht es eigentlich um meine Geduld im Alltag? Was bringt mich regelmäßig „auf die Palme“?
Im Galaterbrief schreibt Paulus über das Verhältnis von Fleisch und Geist. Dort können wir lernen, woran sich das Wirken und die Leitung des Heiligen Geistes in unserem Leben klar erkennen lässt:
Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.
Gal 5,22
Diese Auflistung erinnert sofort an das Wesen unseres HERRN Jesus Christus. Er ist von Herzen liebevoll, hat seine größte Freude in Gott, ist gütig, über alles Menschliche hinaus sanftmütig und weiß, sich zu beherrschen. Gleichzeitig prüfe ich beim Lesen dieser Zeilen mein eigenes Herz.
Der wunderschöne, alte Begriff der Langmut wird gemäß DUDEN wie folgt definiert:
Langmut, die: […] eine durch ruhiges, beherrschtes, nachsichtiges Ertragen oder Abwarten gekennzeichnete Verhaltensweise, große Geduld.
Wir erkennen hier interessanterweise zwischen Galater und DUDEN gewisse Parallelen:
Geduld bzw. Langmut ist mehr als bloßes Abwarten! Es handelt sich vielmehr um ein Zusammenspiel verschiedener innerer Einstellungen und Charaktereigenschaften, die untrennbar miteinander verwoben sind! Die in Galater aufgezeigten Eigenschaften sind zusammengenommen eine Frucht des Geistes (Einzahl), keine separaten Früchte (Mehrzahl). Sie gehören zusammen.
Wahre Geduld ist eingebettet in eine innere Ruhe, eine Annahme dessen, was gerade nicht zu ändern ist. Der Geduldige kann sich selbst beherrschen, ist nachsichtig, wird stets ausharren, sein Wesen ist sanft. Wie kommen wir als sündige Menschen dazu, uns so zu verhalten? Gar nicht. Wir brauchen Gott. Wir brauchen seine Gnade und seinen heiligen Geist, der in uns wirkt und unser Herz von Grund auf erneuert. Die Langmut findet dabei ihre Antriebskraft in der Liebe:
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.
1. Kor 13, 4-5
Als junger Familienvater könnte ich nun Einiges zum Thema „geduldig sein“ sagen. Die Kurzfassung: Vor der Geburt meiner Kinder hatte ich keine Ahnung. Kinder sind wunderbare Geschenke Gottes, die er uns anvertraut hat. Aber dennoch: Die wahren Geduldsproben in meinem Leben, die einen ans Limit bringen, begannen erst mit den Kindern. Unsere Kinder schauen dabei sehr genau auf uns, wir müssen reflektiert handeln, ihnen ein gutes Verhalten vorleben und ihr Herz auf das Wesen Christi hin prägen. Exkurs: Im 16. Jahrhundert wurde Geduld übrigens mit einem Bogen verglichen, wie er zum Beispiel fürs Spielen einer Geige genutzt wird: Wenn man den Bogen zu sehr beansprucht, kann es sein, dass die Sehne reißt. Aus der Bogensehne wurde dann irgendwann der Faden, der heute sprichwörtlich Verwendung findet, wenn uns mal wieder der „Geduldsfaden reißt“! Kennst du solche Momente? Wann reißt dir regelmäßig der Geduldsfaden?
Gottes Wort ist lebendig, hat eine innewohnende Kraft und den berechtigten Anspruch, vollständig und ausreichend zu sein, wenn es um die Frage geht: „Wie sollen wir leben?“.
Was sagt also die Bibel zum Thema Geduld?
Schon im alten Testament finden wir immer wieder Belege für die verblüffende, beinahe unendliche Geduld Gottes mit seinem störrischen, aber doch auserwählten Volk Israel. Dies beginnt bereits am Anfang in Gen 1,1. Viel später in der Wüste, nachdem das Volk Israel ganze zehn (!) mal ungehorsam gegenüber Gottes Geboten war, seine Geduld also auf das Äußerste gereizt hat, Götzen und goldene Kälber angebetet hat, lässt er in 4.Mose l4,22 Konsequenzen folgen: Diese ungläubige Generation der Israeliten muss fast vollständig in der Wüste umkommen und erst ihre Kinder und Kindeskinder dürfen das versprochene Land in Besitz nehmen. Ich finde hier bemerkenswert, dass Gott dies nicht schon nach dem zweiten, dritten, vierten Versagen Israels beschlossen hat, sondern ihnen immer wieder eine neue Chance gegeben hat! Wir sehen bibelübergreifend: Gott hat große Geduld mit uns und
... will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.
2.Petr 3,9
Gottes Geduld verfolgt also ein Ziel: Die Menschen sollen sich von ihren Irrwegen abkehren, Buße tun und sich ihm wieder zuwenden! Auch Mose selbst hat diesen Wesenzug Gottes erkannt und beschrieben in 2.Mose 34,6:
HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, …
Wenn wir dann über das Buch Josua weiterlesen und im Buch der Richter angekommen sind, wird Gottes Geduld nur umso deutlicher. Das Volk Israel wendet sich zu den Lebzeiten der 14 Richter zwar Gott immer wieder zu, verfällt aber danach stets wieder zum bösen Treiben (siehe hierzu Ri 2,19). Gott gibt ihnen immer wieder eine Chance! Das ist wahre Langmut, das ist göttliche Geduld!
Unser Herr Jesus Christus ist als Sohn Gottes umfassend wesensgleich mit seinem Vater. Da der Vater in ihm lebt und er im Vater (Joh 14,10), sehen wir auch in seinem Leben die Werke der Geduld: Er hat bis zur Erschöpfung die Menge gelehrt, getröstet und geheilt. Er hat häufig das Unverständnis seiner Jünger aushalten müssen, wenn er in Gleichnissen vom Reich Gottes redete. Wie unfassbar treu und geduldig hat er am Kreuz unsere Schuld getragen, sich still wie ein Lamm abführen lassen und sein Leben für uns dahingegeben?
Geduld ist also ein tief verwurzeltes Wesensmerkmal Gottes, welche das Ziel verfolgt, Menschen zur Umkehr einzuladen und ihnen die Hand zu reichen. Darum soll sie auch in unserem Lebenswandel erkennbar sein und wachsen: gegenüber unseren Partnern, unseren Kindern, unseren Eltern, unseren Kollegen, in Bedrängnis, im ausharrenden Warten auf das Wirken des Herrn, nicht zuletzt auch im Umgang und der Gnade zu uns selbst. Im Buch der Sprüche lesen wir:
Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit.
Spr 14,29
Ein Geduldiger ist besser als ein Starker, und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte einnimmt.
Spr 16,32
Hat dein Kind die Milch verschüttet? Handle besonnen und weise!
Fährt das Auto vor dir viel zu langsam? Verliere die Liebe nicht!
Hat dein Kollege die Zuarbeit für das Projekt vergessen? Bleibe wertschätzend und langmütig.
Diese Herzenshaltung ist nicht immer leicht, zugegeben. Doch lasst uns gerade als Kinder Gottes auf dieser Erde anders handeln als die Welt um uns herum und ein lebendiges Zeugnis für IHN sein. Schauen wir auf Jesus und sein Wesen. Schauen wir auf den Vater. Lasst uns beten um Veränderung unserer Herzen. Paulus ruft uns in seine Briefen explizit immer wieder dazu auf, geduldig zu sein! Hier eine kleine Auswahl zum persönlichen Nachlesen, Studieren und Beten:
Rö 12,12 /// Rö 15,5 /// 2.Kor 6,4 /// Eph 4,2 /// Kol 3,12 /// 2.Tim 4,2
In unserer neue Gemeindevision, die ihr hinten in dieser Gemeindebriefausgabe und inzwischen auch auf churchtools finden könnt, lesen wir bei „Mit Jesus im Zentrum Gemeinschaft leben“:
Von Jesus lernen wir, gnädig miteinander zu sein und trotz unserer Unvollkommenheit versöhnt zu leben.
Lasst uns also diese göttliche Langmut anziehen. Lasst uns in Leipzig sichtbar machen, mit welcher Geduld ER uns zuerst geliebt hat! Übe es schon heute ein: Wem kannst du heute in Langmut und Nachsicht ganz besonders begegnen?
Ich persönlich danke Gott sehr, dass er meine Geduld in den letzten Jahren hat wachsen lassen.
Es gefiel dem Herrn, dafür vor allem das Familienleben zu nutzen. Auch wenn natürlich ab und an das Maß meiner Geduld voll ist: Inzwischen kann ich zumindest ruhig und entspannt 45 Minuten hungrig neben meinem Sohn im Bett liegen, bis er eingeschlafen ist. Es gelingt mir auch zunehmend, die Eigenheiten meiner Frau lächelnd und mit innerem Frieden annehmen, so wie sie meine „Macken“ annimmt – Hallelujah!
Alle Geduld, alles Abwarten, alles nachsichtige Ertragen findet zum Glück irgendwann einen Endpunkt. Mit Blick auf die erschütternden Ereignisse in der Ukraine müssen Millionen Menschen das Böse verzweifelt ertragen und eine unendliche Geduld aufbringen, bis das Morden endlich endet. Mit Gottes Hilfe tun wir zwar nach Kräften Gutes, wo wir können, doch Russland wütet ungebremst weiter. Wann hört dieser Wahnsinn auf? Wir können und müssen für diese Menschen beten, praktische Hilfe leisten, zuhören, uns investieren.
Doch letztlich wird auch diese Erde mit Allem darauf vergehen. Geduld ist nichts Unendliches. Der Herr wird richten. Geduld heißt, ausdauernd zu wachen und SEIN mächtiges Handeln in dieser Welt zu erwarten.
Lasst uns im Gebet darum ringen: Dein Reich komme, o Herr!
Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Hebr 13,14
Ich fasse zusammen: 1. Schauen wir auf den Gekreuzigten und auf das, was er für uns getan hat. 2. Beten wir, dass der Heilige Geist sichtbar an unserem eigenen Leben arbeitet und wir in der Langmut zunehmen. 3. Lassen wir diese Geduld, die nicht von dieser Erde ist, in Leipzig ein Zeugnis für IHN sein. 4. Blicken wir ausdauernd auf die Verheißungen und die Wiederkunft unseres Herrn. „So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn.“ (Jakobus 5, 7) |