Der Kampf gegen das Böse

„Jeder weiß, dass etwas nicht stimmt mit der Welt, in der wir leben. Niemand behauptet, dass sein Leben so ist, wie es sein sollte – geschweige denn der Rest der Welt. Es stimmt etwas nicht in uns; nichts scheint uns für mehr als einen Augenblick glücklich und erfüllt machen zu können. Und es stimmt etwas nicht zwischen uns. Die Welt ist voll Armut, Krieg, Leid und Ungerechtigkeit. Es ist, als ob irgendetwas sie total durcheinandergebracht hat. Aber was ist dieses Etwas? Wer hat Schuld? Und was ist die Lösung?“ (Timothy Keller, „Berufung“)

Die Antworten, die wir auf diese Fragen geben (und das tun wir alle bewusst oder unbewusst) bestimmen zu einem großen Teil über unsere Weltanschauung. Unsere Antworten auf diese Fragen bilden ein Gerüst, in das wir die meisten anderen Fragen des Lebens einordnen. Sie bestimmen über die großen und kleinen Entscheidungen, die wir im Leben treffen.

Manche würden sagen, Schuld seien die Großkonzerne und der Kapitalismus. Und die Lösung wäre der Sozialismus. Und entsprechend dieser Weltanschauung kämpft man dann gegen alles, was irgendwie kapitalistisch ist.

Manche würden sagen, das Problem liege bei den Migranten und die Lösung wären geschlossene Grenzen. Und entsprechend dieser Weltanschauung kämpft man dann gegen alles, was nicht Deutsch ist.

Manche würden sagen, das Problem liege in Bildungslosigkeit und Unaufgeklärtheit und die Lösung bestünde darin, allen Menschen eine gute Bildung zu ermöglichen. Und entsprechend dieser Weltanschauung setzt man sich für bessere Bildung ein und hofft, dass das Problem dadurch in den Griff zu kriegen.

Manche würden sagen, das Problem seien die Religionen, die mit ihrem Absolutheitsanspruch Zwietracht säen und die Welt ins Chaos stürzen würden. Die Lösung wäre eine religionslose Gesellschaft. Und entsprechend dieser Weltanschauung lehnt man alles religiöse rigoros ab.

Manche dieser Weltanschauungen mögen uns sympathischer vorkommen als andere. Aber alle diese Weltanschauungen haben zwei Dinge gemeinsam:
1) Sie unterschätzen allesamt das Ausmaß des Bösen.
2) Und sie überschätzen unsere Fähigkeit, das Böse zu besiegen.

Die Weltanschauung der Bibel ist in dieser Hinsicht einzigartig. Die Bibel beschreibt die Ursache des Bösen in der Welt wie folgt:

12 Denn unser Kampf richtet sich nicht gegen ´Wesen von` Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte und Gewalten der Finsternis, die über die Erde herrschen, gegen das Heer der Geister in der unsichtbaren Welt, die hinter allem Bösen stehen.

(Epheser 6,12)

Was im ersten Moment so klingt, als wolle man alle Probleme der Welt auf eine ungreifbare Macht verschieben und sich so der Verantwortung entziehen, ist in Wirklichkeit ein sehr realistisches und differenziertes Bild. Die Bibel geht davon aus, dass die Wurzel des Bösen nicht einfach in einem bestimmten Aspekt unserer Welt zu finden ist (z.B. Kapitalismus). Und genauso wenig geht die Bibel davon aus, dass die Lösung unserer Probleme einfach in einem anderen Aspekt unserer Welt zu finden ist (z.B. Sozialismus). Nach christlichem Verständnis ist der Kapitalismus nicht böse genug, um alles Böse auf der Welt erklären zu können – obwohl manches am Kapitalismus hässlich und böse ist. Genauso wenig ist der Sozialismus gut genug, um alle Probleme der Welt lösen zu können. Dasselbe gilt für Bildung oder Wissenschaft: Zum Teil gute Dinge, die aber nicht gut genug sind, um das Böse zu besiegen.

Die Bibel geht davon aus, dass der Kern des Problems nicht in der geschaffenen Welt („Wesen von Fleisch und Blut“), sondern auf einer geistlichen Ebene zu finden ist („Mächte und Gewalten der Finsternis, […] die hinter allem Bösen stehen.“) Jenseits von Kapitalismus und Sozialismus und Religiosität und Bildung und Individualismus und Demokratie und Globalisierung und Digitalisierung gibt es ein übernatürliches Problem, das sich auf alle diese Dinge auswirkt und all diese Dinge durcheinanderbringt und all diese Dinge mit der Macht des Bösen infiziert. Keines dieser Dinge ist in sich selbst das Böse schlechthin, das wir für den Zustand der Welt verantwortlich machen könnten. Aber gleichzeitig ist auch keines dieser Dinge in sich selbst das Gute schlechthin, von dem wir Rettung erwarten könnten.

Der Sozialist, der auf den Kapitalisten schimpft, übersieht, dass er selbst zum Bösen in der Welt beiträgt. Genauso der Kapitalist, der auf den Sozialisten schimpft. Oder der Deutsche, der über den Migranten schimpft. Oder der Atheist, der über die Religiösen schimpft. Oder der Religiöse, der über den Atheisten schimpft.

Nach christlichem Verständnis beginnt der Kampf gegen das Böse immer bei mir selbst. Das Böse möchte uns zu seinen Handlangern machen. Und es wird ihm gelingen, wenn wir uns nicht auf den einen einlassen, der das Gute in Person ist: Gott.

13 Deshalb greift zu allen Waffen, die Gott für euch bereithält! Wenn dann der Tag kommt, an dem die Mächte des Bösen angreifen, ´seid ihr gerüstet und` könnt euch ihnen entgegenstellen. Ihr werdet erfolgreich kämpfen und am Ende als Sieger dastehen. 14 Stellt euch also entschlossen ´zum Kampf` auf! Bindet den Gürtel der Wahrheit um eure Hüften, legt den Brustpanzer der Gerechtigkeit an 15 und tragt an den Füßen das Schuhwerk der Bereitschaft, das Evangelium des Friedens zu verbreiten. 16 Zusätzlich zu all dem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr jeden Brandpfeil unschädlich machen könnt, den der Böse gegen euch abschießt. 17 Setzt den Helm der Rettung auf und greift zu dem Schwert, das der Heilige Geist euch gibt; dieses Schwert ist das Wort Gottes.

(Epheser 6,13-17)

Wir können das Böse in der Welt und in uns nicht losgelöst von Gott besiegen. Denn genau das ist überhaupt erst die Ursache des Problems. Unsere Losgelöstheit von Gott sorgt dafür, dass wir dem Bösen schutzlos ausgeliefert sind und selbst zu Handlangern des Bösen werden – ob wir das wollen oder nicht. Und die christliche Hoffnung für unsere Welt besteht darin, dass Gott uns aus dieser Schutzlosigkeit herausholt. Gott wird Mensch und stirbt aus Gnade am Kreuz zur Vergebung unserer Gottlosigkeit, um uns dadurch eine Waffenrüstung zu schmieden, die im Kampf gegen das Böse tatsächlich wirksam ist:

Er macht uns das Geschenk, die Wahrheit über den Zustand dieser Welt und den Zustand unseres eigenen Herzens kennen zu dürfen.
Er macht uns das Geschenk, ein für alle Mal gerecht gesprochen zu sein.
Er macht uns das Geschenk, eine Hoffnungsbotschaft zu haben, die es wert ist, weitergegeben zu werden.
Er macht uns das Geschenk, glauben zu können, dass das Böse nicht das letzte Wort hat.
Er macht uns das Geschenk, wissen zu dürfen, dass wir gerettet sind.
Und er macht uns das Geschenk, in seinem Wort nachforschen zu können, wie der Kampf gegen das Böse gelingen kann.

Thomas Keil