Vermutlich kennen wir sie alle. Die Gewohnheiten unseres Herzens. Die üblichen Verhaltensmuster, in die wir fallen, wenn wir uns keine großen Gedanken über unser Verhalten machen.
Manche würden sagen: Das ist, wer wir wirklich sind. Ungefiltert. Authentisch. Echt. Manche würde sagen: Lasst uns diese Natürlichkeit anstreben. Folge deinem Herzen. Wenn du es nicht tust, wird es dich kaputt machen. Wenn du es nicht tust, spielst du anderen etwas vor. Wenn dein Herz dir sagt, „Denk an dich!“, dann denk an dich. Wenn dein Herz dir sagt, „Sei freundlich!“, dann sei freundlich. Wenn dein Herz dir sagt, „Schlag zurück!“, dann schlag zurück.
Andere würden sagen: Genau das ist unser Problem. Unsere natürlichen Verhaltensmuster sind trügerisch und müssen kontrolliert und bezwungen werden. Halt dich an die Regeln, sonst richtest du nur Unheil an. Wenn dein Herz dir sagt, „Denk an dich!“, dann zwing dich dazu, auch an andere zu denken. Wenn dein Herz dir sagt, „Sei freundlich!“, okay, in Ordnung. Wenn dein Herz dir sagt, „Schlag zurück!“, dann kämpf gegen den Drang an.
Jesus ist völlig anders. Er passt in keine der beiden Kategorien.
Gott sagt:
„Deshalb orientiert euch nicht am Verhalten und an den Gewohnheiten dieser Welt, sondern lasst euch von Gott durch Veränderung eurer Denkweise in neue Menschen verwandeln. Dann werdet ihr wissen, was Gott von euch will: Es ist das, was gut ist und ihn freut und seinem Willen vollkommen entspricht.
(Römer 12,2 – Neues Leben)
Gott verfolgt einen wunderschönen Plan für uns Menschen. Jesus möchte uns in neue Menschen verwandeln. Und ein Teil dieser Verwandlung ist die Veränderung unseres Denkens. Gott wünscht sich weder, dass wir von gedankenloser Intuition gesteuert sind. Noch wünscht er sich, dass wir uns stupide und widerwillig einer endlosen Regelsammlung unterwerfen. Nein! Gott will unser Denken durch und durch umgestalten. Er will die Gewohnheiten unseres Herzens, die Standard-Denkmuster, in die wir ganz natürlich hineinrutschen, so umgestalten, dass sie Gottes Wesen widerspiegeln.
Was für ein geniales Bild. Stell dir das mal vor! Ein Mensch zu sein, der beinahe automatisch das tut, was Gott ehrt. Ein Mensch zu sein, für den es natürlich geworden ist, zu vergeben, großzügig zu sein, zu lieben, sich aufzuopfern, in Schwierigkeiten gelassen zu sein, Schuld nicht zu vertuschen, in den Stürmen des Lebens zu beten, inmitten der größten Erfolge demütig zu bleiben. So sieht es aus, wenn Gottes Herrlichkeit in unserem Leben aufblüht, wenn sich seine Gegenwart in unserem Leben entfaltet.
Der Theologe N.T. Wright schrieb einmal:
Wenn du plötzlich getestet wirst und keine Zeit hast, darüber nachzudenken, wie du dich darstellen kannst, dann wird dein wahres Wesen zum Vorschein kommen. Das ist der Grund, warum Charakter alles durchdringen muss: Denn das, was dich füllt, ist das, was überläuft.
Das ist das, was oft mit dem Begriff „Heiligung“ beschrieben wird: Einen Charakter zu entwickeln, für den es immer selbstverständlicher und natürlicher wird, so zu handeln, dass dadurch Gottes Wesen sichtbar wird und zur Entfaltung kommt.
Wie kann das passieren?
1) Diese Herzensveränderung kann nicht funktionieren, wenn wir Jesus einfach nur als „moralisches Vorbild“ sehen. Die Veränderung beginnt in dem Moment, in dem wir Jesus ganz persönlich für uns als den erleben, der uns hingebungsvoll liebt, obwohl er die finstersten Abgründe unseres Herzens kennt. Der Motor für diese Veränderung ist ein immer tiefer werdendes Bewusstsein dafür, wie gewaltig die Gnade ist, die Gott uns durch Jesus geschenkt hat.
2) Ein wachsendes Bewusstsein für diese Gnade wird unser Denken wachrütteln. Wir werden uns in ganz alltäglichen Situationen plötzlich die Frage stellen, wie es wohl aussehen würde, in dieser Situation Gottes Gnade, Freundlichkeit, Vergebungsbereitschaft oder Großzügigkeit widerzuspiegeln. Der Heilige Geist wird uns anspornen und ermutigen und keine Ruhe lassen. Und wenn wir uns auf das Wagnis einlassen, das weiterzugeben, was uns von Gott geschenkt wurde, wird der Heilige Geist langsam aber sicher neue Herzensgewohnheiten in uns zum Vorschein kommen lassen.
Anfangs fühlen sich die neuen Wege, auf die er uns führt, möglicherweise an wie ein undurchdringliches Dickicht. Wir kämpfen uns durch, vielleicht scheitern wir auch manchmal, geben auf, probieren es später wieder und schaffen es vielleicht mit Ach und Krach auf die andere Seite. Jemandem zu vergeben, der dir Unrecht getan hat, kann z.B. so ein Kampf sein. Wenn der Heilige Geist uns das nächste mal vor dieselbe Herausforderung stellt, ist der Weg vielleicht schon ein klein bisschen weniger beschwerlich. Und nach ein paar Jahren schlängelt sich vielleicht ein kleiner Trampelpfad durch das Dickicht. Und was anfangs beinahe unvorstellbar schien, fängt an, zu einer natürlichen Herzensgewohnheit zu werden.
Das ist der Weg, auf den Gott uns führen will. Das ist es, was passieren wird, wenn wir Gott suchen und seine Gnade zu spüren bekommen: Die Gewohnheiten unseres Herzens werden sich verändern und seine herrliche Gegenwart wird sich in unserem Leben entfalten.
Was für eine geniale Perspektive! Was für ein genialer Gott!
Thomas Keil