Mit Tränen säen, mit Freude ernten

Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Wer weinend hingeht und den Samen zur Aussaat trägt, der kommt gewiss mit Freuden zurück und bringt seine Garben.

Psalm 126,5-6

Während ich diese Zeilen schreibe, ist es April und wir befinden uns mitten in der Zeit der Aussaat. Wenn der Zeitraum dieses Gemeindebriefes endet, können erste Früchte geerntet werden. Wir mögen in der Stadt Saat und Ernte nicht so nah erleben, wie die Menschen auf dem Land. Aber mancher pflanzt vielleicht in diesen Tagen einen Tomatenstock auf dem Balkon an oder Obst und Gemüse im Garten. Und im Sommer oder Herbst erfolgt die Ernte.

Die Worte „die mit Tränen säen“ aus diesem Psalm kann man leicht missverstehen. Ich habe selbst diesen Vers oftmals nicht verstanden, insbesondere die Wendung „mit Tränen säen“. Was bedeutet „mit Tränen säen“? Vor einigen Monaten las ich in einem Andachtsbuch eine Auslegung zu diesen Versen, die mich sehr angesprochen hat und ich gebe die Gedanken daraus gerne weiter. Säen an sich ist keine traurige oder tränenreiche Arbeit. Im Gegenteil: Säen ist in der Regel mit Hoffnung auf die Ernte verbunden. „Mit Tränen säen“ bedeutet nicht, dass die Tränen das Saatgut sind oder dass die Tränen für eine ertragreiche Ernte sorgen. Der Psalmbeter hat einen Menschen vor Augen, der beim Säen weint. Dass er weint, hat nichts mit dem Säen an sich zu tun. Sondern dieser Psalm gibt einen Zuspruch für Menschen, die durch schwere und traurige Zeiten gehen. Der Psalmdichter denkt an einen Menschen, der durch ein Tal der Tränen geht, weil sein Leben gerade hart ist und schmerzt. Dennoch geht dieser Mensch an seine tägliche Arbeit, auch unter Tränen. Dieser Mensch mag das Gefühl haben: „Mir ist jetzt überhaupt nicht nach Säen zumute, ich könnte wegen jedem bisschen weinen, ich würde am liebsten nur noch die Decke über den Kopf ziehen und mich verkriechen.“ Aber er weiß: „Die Früchte werden nicht auf mich warten, bis ich mich nach Säen fühle. Wenn ich jetzt nicht säe, werde ich im Herbst keine Ernte und im Winter nichts zu essen haben. Ich werde meinen Saatbeutel nehmen und aufs Feld gehen und den Samen ausstreuen und eben dabei weiter weinen.“ Also geht er aufs Feld und streut den Samen aus, auch wenn das Leben nicht leicht ist, auch wenn sein Herz schwer ist, ja sogar, wenn Tränen bei der täglichen Aussaat fließen.

Hier nun ist wichtig, welche Zusage dieser Psalm gibt. Es sind nicht die Tränen, die die Ernte und die Freude hervorbringen. Sondern es ist das simple Säen, das die Ernte und die damit verbundene Freude hervorbringt. Wer sät, wird Früchte ernten. Das bedeutet: Es gibt gute Dinge, die zu tun sind, ob das Leben gerade leicht oder schwer ist, und diese Dinge haben gute Folgen. Sie zu unterlassen, wenn es uns schlecht geht, wird unsere Situation nicht besser machen. Ohne Saat keine Ernte. Saat bringt eine Ernte und damit Freude hervor – ob die Aussaat unter Tränen erfolgt oder nicht.

Vielleicht ist das Leben gerade schwer und mit Tränen erfüllt. Ein Theologe hat mal als Anwendung für diesen Psalm empfohlen: „Sprich zu deinen Tränen.“ Das kann so aussehen: “Tränen, ich fühle euch. Täglich fließt ihr über mein Gesicht und wollt mir vermitteln, es habe ja alles keinen Sinn und ich solle mich am besten verkriechen. Aber da gibt es ein Feld zu besäen – Arbeit zu tun, Kinder zu betreuen, ein Auto zu reparieren, Hausarbeit zu erledigen. Ich habe gute Dinge zu tun und nehme jetzt meinen Beutel und gehe säen. Wenn ihr mir heute übers Gesicht strömen möchtet, dann müsst ihr eben mitkommen. Tränen, ich sage euch im Vertrauen auf Gott: ihr werdet nicht für immer bleiben. Und selbst wenn ich meine Arbeit unter Tränen tue, so wird Gott am Ende eine segensreiche Ernte bringen. Auch wenn ich es noch nicht fühle oder sehe, aber ich glaube, dass die simple Arbeit eine fröhliche Ernte einbringt und meine Tränen in Freude verwandelt werden.“

Thomas Arhelger