Wir haben ganz verschiedene Gaben, so wie Gott sie uns in seiner Gnade zugeteilt hat.
(Römer 12,6a)
Pffffft. Mein kleiner Sohn holt tief Luft, presst die Lippen zusammen und stößt die Luft mit einem lauten Geräusch wieder aus. Pffffft. Er wiederholt es immer und immer wieder. Vor ein paar Wochen hat er damit begonnen – seitdem er entdeckt hat, dass er solche Geräusche mit seinen Lippen erzeugen kann. Ich schaue ihm dabei zu. Mir geht der Gedanke durch den Kopf: „Entdecke die Möglichkeiten.“ Sein Leben ist eine einzige Entdeckungsreise. Woche für Woche kommen neue Entdeckungen hinzu. Er entdeckt, was er alles mit seinem Körper tun kann, lernt zu greifen, sich zu drehen und sogar die Zehen in den Mund zu stecken. Als Vater schaue ich dabei zu und ich weiß, dass es für ihn mit zunehmendem Alter noch so viel mehr zu entdecken gibt. Allein sein Körper steckt voller Möglichkeiten, die er mit wachsendem Alter entdecken wird. Krabbeln, Brabbeln, Laufen, Sprechen, Singen, Malen, Lesen, Schreiben, Denken, Rechnen und so viel mehr Fähigkeiten warten darauf, von ihm entdeckt und erlernt zu werden. Sein ganzer Körper ist dabei beteiligt: Augen, Hände, Gehirn, Gefühle, Arme, Beine, Füße – schon allein sein Körper öffnet ihm eine Welt voller Möglichkeiten. Gott hat diese Fähigkeiten und Möglichkeiten in ihn hineingelegt und mein kleiner Sohn entdeckt, was da alles in ihm steckt.
Als Erwachsene sind wir auf dieser Reise schon weiter. Manche Fähigkeiten verlieren wir mit zunehmendem Alter. Ich zumindest lutsche heute nicht mehr an meinen Zehen und je älter ich werde, umso weniger elegant sieht es aus, wenn ich meine Zehen zum Mund führe. Aber sind wir auf unserer Entdeckungsreise etwa angekommen? Kann es nicht sein, dass diese Reise sich weiter fortsetzt und sich mit fortschreitendem Alter auch Möglichkeiten eröffnen, die wir nicht hatten, als wir jünger waren? Mir scheint, dass wir diesen Entdeckergeist verlieren können. Liegt es bei manchen daran, dass die großen Fragen von Berufswahl, Partnerschaft und Familie entschieden sind und sie ihren Platz im Leben gefunden haben? Liegt es daran, dass Enttäuschungen und schwierige Erfahrungen uns nicht nur desillusioniert, sondern die Freude am Entdecken und Träumen geraubt haben? Oder haben vielleicht Verletzungen dazu geführt, dass wir unser Licht unter den Scheffel stellen und glauben, unser Beitrag sei nicht wirklich wertvoll? Die Gründe, warum dieser Entdeckergeist verloren gehen kann, mögen für jeden von uns verschieden sein.
Als Vater weiß ich, dass mein Sohn noch so viel entdecken wird, was er alles kann und er wird sich freuen, wenn er entdeckt, was Gott in ihn hineingelegt hat. Und ich werde mich mit ihm freuen. Mein Blick ist dennoch sehr klein und begrenzt. Wie viel größer ist Gottes Blick auf uns. Wie viel mehr sieht Gott uns und weiß, was alles in uns steckt und wie viel da noch zu entdecken ist. Voller Freude gibt er uns Gaben und steckt sein Potenzial in uns hinein zum Segen für andere Menschen und damit sein Reich wächst.
Es gibt noch immer Dinge zu entdecken. Vielleicht sind manche Dinge nicht mehr möglich, aber dafür sind neue Dinge möglich. Gott hat uns Gaben gegeben. Und er ist wie ein Vater, der sein Kind an die Hand nimmt, sie zu entdecken. Noch mehr: Er selbst wirkt darin. Es erfüllt uns mit Freude, wenn wir dieses Können einsetzen, das Gott uns gegeben hat, und dabei erleben, dass andere Menschen dadurch mit der Liebe Gottes berührt werden. Gerade dann fühlen wir uns völlig lebendig. Wir haben einen Gott, dem kein Ding unmöglich ist. Er kann alles. Und er hat Dir Gaben gegeben. Hör nicht auf zu entdecken. Entdecke die Möglichkeiten!