Eisberg oder Fackel?

Während ich diese Zeilen schreibe, liegt draußen Schnee und es ist kalt. Es ist kein Klima, in dem ich mich gerne aufhalte. Ich mag Kälte nicht. Jesus sprach einmal mit seinen Jüngern über Kälte – über eine Kälte, die mich immer wieder schaudern lässt. Jesus sprach über kommende Zeiten und er sagte: „Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten“ (Matthäus 24,12).

Die Liebe wird erkalten, sagt Jesus. Nicht nur in wenigen Menschen, sondern in vielen Menschen. Halte einen Moment inne und stelle dir vor, wie eine Welt wohl aussieht, in der die Liebe in vielen Menschen erkaltet. Was würden die Menschen tun? Wie sähen ihre Beziehungen aus? Die Beziehungen zwischen Ehepartnern? Die Beziehungen zu Nachbarn und zu Arbeitskollegen? Der zwischenmenschliche Umgang in der Gesellschaft?

Um es einmal im Bild auszudrücken: Jesus spricht davon, dass die Herzen von vielen Menschen zu einem Eisberg werden. Kalt. Gefroren. Gefühllos. Hart für andere Menschen. Wie kommt es dazu? Jesus sagt: „Weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird…“ – Ungerechtigkeit bezeichnet nicht bloß kriminelles Handeln. Wenn Jesus von Ungerechtigkeit spricht, meint er einen Lebensstil, der im Widerspruch zu Gottes Willen steht.

Jesus spricht anschließend von einer zweiten Gruppe: „Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen“ (Matthäus 24,13-14). Eins ist klar: Es sind nicht kalte Menschen, die bis zum Ende ausharren. Es sind nicht kalte Menschen, die bis an die Enden der Erde gehen und Strapazen, Leid und Verfolgung auf sich nehmen, um Menschen von Jesus zu erzählen.

Worin unterscheiden sich diese beide Gruppen? Sie unterscheiden sich in ihrer Liebe, in ihrer Leidenschaft. Es ist nicht so, dass die Eisberg-Gruppe keine Leidenschaft hat, doch ihre Leidenschaft unterscheidet sich darin, worauf sie gerichtet ist und woher sie ihren Brennstoff bezieht. Die eine Gruppe hat eine feurige Leidenschaft für sich selbst, die andere Gruppe hat eine feurige Leidenschaft für Gott. Die eine Gruppe zieht ihren Brennstoff aus der Welt, die andere Gruppe erhält ihren Brennstoff von Gott. Die eine Gruppe denkt primär an sich selbst, die andere Gruppe denkt an Gott und die anderen Menschen. Die eine Gruppe entzieht der Welt Wärme, die andere Gruppe spendet der Welt Wärme.

Welche Leidenschaft treibt dich und mich? Eine Leidenschaft für mich selbst oder eine Leidenschaft für Gott? Eine Leidenschaft für mich selbst wird dazu führen, dass die Liebe für Gott und für andere Menschen erkaltet und mein Herz zum Eisklotz wird. Diese Vorstellung jagt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Ich will nicht kalt sein, auch nicht lau, sondern – wie Paulus sagt – „brennend im Geist“ (Römer 12,11) und meine Freude in Gott haben, von Ihm empfangen, für Ihn brennen, um Wärme in die Welt geben zu können. Um ein anderes Bild zu gebrauchen: Eine Fackel sein, die leuchtet, die das Eis zum Schmelzen bringt, eine Fackel, die andere ansteckt und Wärme gibt, eine Fackel, die Gott dorthin tragen darf, wohin Er möchte.

Bevor Mose der große Volksführer Israels war, sah er eines Tages in der Wüste einen brennenden Dornbusch, der jedoch nicht verbrannte. Gott sprach dort zu Mose. Er begegnete dort dem lebendigen Gott und wurde von Gott beauftragt und gesandt. Gottes Feuer – mitten im Alltag, mitten im Leben. Gott ist nicht fern von uns. In Gottes Gegenwart findet unsere Leidenschaft ihre Erfüllung. In seiner Gegenwart, von seiner Liebe, von seiner Herrlichkeit wird unser Feuer hell entfacht. Von Ihm empfangen wir unseren Sinn und unser Ziel und werden in die Welt gesandt, damit die Eisberge schmelzen.

Thomas Arhelger